Over the air and far away

Stellen Sie sich vor, der Google Play Store meldet sich auf Ihrem Handy. Sie mögen doch bitte in den nächsten Mobilfunkshop gehen, ein Update für die Chrome App wäre jetzt verfügbar und würde dort installiert. Klingt absurd, oder? Doch genau das verlangen immer noch zahlreiche Autohersteller von ihren Kunden. Fahrzeuge sind heute im Grunde fahrende Smartphones und brauchen deshalb ebenso wie Handy oder Notebook ständig Updates für ihr Betriebssystem oder die zahlreichen Applikationen. Bei Smartphone, Tablet & Co. passiert das über sogenannte Over The Air Updates (OTA). Die notwendigen Daten werden per Klick angefordert, via Mobilfunkverbindung übertragen und auf dem Gerät automatisch installiert. Der gesamte Vorgang dauert manchmal nur wenige Sekunden, höchstens jedoch ein paar Minuten – und in vielen Fällen ist es kostenlos. So läuft die digitale Welt heute. Nur im Auto nicht. Zumindest nicht in jedem.
JATO Dynamics hat sich deshalb einmal angeschaut, wie die Marktsituation bei Over The Air Updates der Neuwagen in Deutschland aussieht, welche Segmente gut dastehen und welche Hersteller für welche Modelle OTA anbieten. Alles in allem lässt sich sagen, dass die Lage noch sehr bescheiden ist. Ende 2022 waren gerade einmal 34 Prozent der angebotenen Fahrzeuge für den kabellosen Datentransfer ausgelegt. Zwei von drei Modellen müssen also immer noch in die Werkstatt.

Allerdings trifft das auf Autos aus einigen Segmenten seltener zu als auf andere. Nicht verwunderlich, dass vor allem die beliebten SUVs zuerst mit OTA ausgestattet werden. Knapp die Hälfte der Fahrzeuge, die mit dem Funkdatenverkehr erhältlich sind, gehören einem der zahlreichen SUV-Segmente an. Nur Modelle der Mittelklasse können da noch mithalten. In den Segmenten der Klein- und Kleinstfahrzeuge sieht es noch recht dürftig aus – auch bei den kleinen SUVs.

BMW bietet die meisten OTA-Modelle
Deutliche Unterschiede gibt es bei den Marken. Vorreiter ist BMW. Die Münchner, die bereits Mitte der 2000er Jahre den Datentransfer per Mobilfunkverbindung ins Auto brachten, bieten mittlerweile OTA für 55 verschiedene Modellversionen an. Die 3er-Reihe mit acht und die 2er-Reihe mit vier Modellvarianten befinden sich unter den Top 10. Mercedes hatte Ende letzten Jahres 35 Modellversionen mit OTA im Angebot, darunter die A- und B-Klasse mit jeweils fünf Modellvarianten. Auch Renault mit 24 Modellversionen und Jaguar (21) sind schon ganz ordentlich unterwegs. Vom F-Pace von Jaguar gibt es sogar neun Modellvarianten mit OTA – er ist damit Spitzenreiter bei den Modellen. Bemerkenswert: Ford bietet zwar acht Modellversionen des Focus mit OTA an, gehört aber nicht zu den Top 10 der Marken.

Ebenso interessant ist die Situation bei den Antriebsarten, denn so richtig Fahrt aufgenommen hat die Over The Air-Technologie erst mit der Elektromobilität. Umso überraschender: Von den – zugegeben nur wenigen – E-Autos mit Range Extender verfügt kein einziges Modell über OTA. Auch vier von fünf Modellen mit Hybridantrieb sind nicht aus der Ferne zu erreichen. Da stehen selbst Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor besser da: Immerhin jedes dritte Modell verfügte Ende 2022 über den kabellosen Datentransfer ins Auto.
Noch besser sieht es für PKW mit Plug-In- und Mild-Hybridantrieb aus. Rund die Hälfte der jeweiligen Modellversionen ist mit OTA ausgestattet. Besonderheit: Für gut 1,5 Prozent der Mild-Hybridautos wird die Technologie optional angeboten, für alle anderen Fahrzeuge gibt es sie serienmäßig – oder gar nicht. Aber auch die rein batterieelektrisch angetriebenen PKW sind noch weit davon entfernt, komplett mit der komfortablen Software-Aktualisierung ausgestattet zu sein. Gerade einmal 55 Prozent der angebotenen E-Modelle lassen sich Over The Air erreichen. Doch das wird sich sicher bald ändern. Es ist davon auszugehen, dass die Hersteller an zusätzlichen Diensten, die sie per OTA ins Auto schicken, ganz gut verdienen können. Die Mobilfunkbranche hat’s vorgemacht.
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