Heute gibt es mehr Auto fürs Geld

Neuwagen kaufen? Viel zu teuer, würden wahrscheinlich die meisten deutschen Autokäufer sagen. Kein Wunder, sind doch seit Jahren rund zwei Drittel aller in Deutschland gehandelten Pkws Gebrauchtwagen. Der Grund ist einfach: Die Preise für Neuwagen steigen schon seit Jahrzehnten kräftig an. Nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich. Der erste VW Golf kostete 1974 als günstigste Version knapp 8.000 Mark. Nach aktueller Kaufkraft sind das ungefähr 11.000 Euro. Dafür gibt’s heute nicht mal einen neuen VW Polo. Doch warum sind die Autos eigentlich so teuer geworden? Die Antwort: Die Neuwagen stellen einen höheren Wert dar, sie sind heute wesentlich besser ausgestattet. Sicherheitssysteme, Assistenzsysteme, Technik für den Komfort – vieles von dem, was heute selbst bei Kleinwagen selbstverständlich ist, gab es noch vor wenigen Jahren gar nicht oder war bestenfalls in der Luxusklasse zu kriegen. Doch diese Features kosten Geld.

Für die höheren Preise bekommt man heute aber nicht nur mehr Extras, sondern auch deutlich mehr Blech und mehr Leistung. Vor allem aber sind die Autos wesentlich haltbarer, sparsamer und sicherer geworden – ein klarer Mehrwert. Besonders die Sicherheitsstandards sind quer durch alle Segmente massiv gestiegen. Unfälle, die noch in den 1970er Jahren tödlich endeten, gehen heute meist glimpflich aus. Diese positive Entwicklung darf sicher gern auch etwas kosten.

Kompaktwagen wurden seit 2002 um 63 Prozent teurer

Doch um wie viel sind die Preise der tatsächlich verkauften Modelle eigentlich genau gestiegen? JATO Dynamics hat sich dazu die Entwicklung der Listenpreise* seit 2002 in den beiden beliebten Segmenten der Klein- und Kompaktwagen einmal genau angesehen. Außerdem haben wir an ausgewählten Beispielen verglichen, wie sich die Größenverhältnisse der Fahrzeuge aus dem B- und C-Segment verändert haben. Die durchschnittlichen Listenpreise von Kleinwagen wie VW Polo, Ford Fiesta oder Opel Corsa sind zwischen 2002 und 2020 um ca. 59 Prozent gestiegen. Kostete ein Modell 2002 noch gut 13.000 Euro, so waren es 2020 bereits knapp 21.000 Euro. Noch deutlicher legten im gleichen Zeitraum die Preise bei den Kompakten zu. 2002 wurden für VW Golf, Ford Focus und Co. im Schnitt 18.400 Euro bezahlt. 2020 waren es schon knapp 30.000 – eine Steigerung um etwa 63 Prozent.

Die Modelle mit alternativen Antrieben haben zu dieser Entwicklung ebenfalls beigetragen. Schaut man ausschließlich auf die Preise der Modelle mit Verbrennungsmotoren, dann betrug die Steigerung im C-Segment etwa 56 Prozent.

Stellvertretend für die beiden Segmente haben wir die Preisentwicklung der beliebten Volkswagen-Modelle Golf und Polo analysiert. Zwischen 2002 und 2010 nahm der Durchschnittspreis der deutschlandweit zugelassenen VW Polo um 18 Prozent zu. Zügiger ging‘s dann im folgenden Jahrzehnt nach oben, von 2010 bis 2020 stieg der Preis um weitere 35 Prozent. Interessant dabei: Es gab nach wie vor auch günstige Varianten im Angebot, doch die Kunden haben sich besonders 2020 eher für die teureren Modelle entschieden (siehe Grafik: Die Größe der Farbflecke zeigt die Zulassungszahlen. Je mehr Fahrzeuge mit einem bestimmten Listenpreis verkauft wurden, desto breiter der Farbfleck.) Ein Grund dafür könnte sein, dass inzwischen Privatleasing sehr verbreitet ist. Eine höhere monatliche Leasingrate für einen Polo für 20.000 statt 15.000 Euro ist womöglich weniger abschreckend als die Differenz beim Gesamtpreis.

Eine ähnliche Entwicklung nahm auch der VW Golf. Zwischen 2002 und 2010 stieg der Durchschnittspreis um 22 Prozent. Von 2010 bis 2020 nahm er sogar um 37 Prozent zu. Neben den bereits für den Polo genannten Gründen kommt beim Wolfsburger Bestseller noch ein erweitertes Angebot hinzu. 2020 gab es das Kompaktmodell auch mit batterieelektrischem Antrieb (BEV) und als Plug-in-Hybrid (PHEV). Beide Varianten sind zwar deutlich teurer, wurden aber trotzdem gut verkauft. Auch vom VW Golf wurden nach wie vor günstigere und teure Varianten angeboten. Die Käufer haben sich jedoch häufiger für die höherpreisigen Modelle entschieden, was letztlich für einen höheren Durchschnittspreis sorgt.

Elektromodelle treiben Durchschnittspreise deutlich nach oben

Der ging allerdings bei den zugelassenen Modellen mit Verbrennungsmotor von 2002 bis 2010 sogar um 3,6 Prozent leicht zurück. Zeitgleich kam die erste BEV-Variante auf den Markt – mit einem Preis von fast 35.000 Euro. Das war ca. 52 Prozent mehr als der Durchschnittspreis der 2010 zugelassenen Golf mit Diesel- und Ottomotor und sorgte für den höheren Durchschnittspreis aller Varianten. Der Preis des E-Golf mit Batterieantrieb ging bis 2020 um 8,6 Prozent auf fast 32.000 Euro zurück. Zeitgleich wurde auch die Plug-in-Variante eingeführt, zu einem durchschnittlichen Listenpreis von knapp 40.700 Euro. Das ließ den Durchschnittspreis aller „Gölfe“ noch weiter steigen. 2020 hatten nur noch 79,6 Prozent einen Verbrennungsmotor (davon 9,3 Prozent als Mild-Hybrid). 14,8 Prozent entfielen auf BEVs und 5,6 Prozent auf PHEVs. 

Doch immerhin bekommen die Kunden auch mehr Auto für ihr Geld: Der Polo Jahrgang 2020 ist breiter als ein 2002er Golf, ist in 18 Jahren um 10,2 Zentimeter (+ 6,2 Prozent) breiter geworden. In der Länge hat der Polo im gleichen Zeitraum sogar 16,5 cm zugelegt (+ 4,2 Prozent). Und auch der Golf ist ordentlich gewachsen.

Fazit: Die Preissteigerungen decken sich mit den segmentüblichen Entwicklungen. Die Kunden erwarten heute jedoch mehr von einem Fahrzeug und sind deswegen auch bereit, mehr dafür zu zahlen als noch vor 20 Jahren. Sie entscheiden sich überwiegend für die besser ausgestatteten und damit meist teureren Fahrzeuge. Hinzu kommt das steigende Interesse an BEV- und PHEV-Modellen, was ein weiterer Preistreiber ist. Hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass Elektrofahrzeuge staatlich gefördert werden. Das bedeutet, dass die Förderung von den durchschnittlichen Listenpreisen abgezogen werden muss. Die von den Kunden bezahlten Preise für die BEV- und PHEV-Modelle liegen also unter den durchschnittlich gewichteten Listenpreisen aus der ersten Grafik.

* Die Listenpreise sind volumengewichtet. Das bedeutet, dass Fahrzeuge mit hoher Stückzahl den Preis stärker beeinflussen als solche, die in geringer Stückzahl zugelassen werden. Das bildet die tatsächliche Nachfrage realistischer ab.

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